Hitze und Starkregen bändigen durch Regenwassermanagement

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Sponge City, die Stadt als Schwamm

London, Providence Wharf. Exklusiver Wohnungsbau an der Themse mit intensiv begrünten Dachgärten. Im Sommer besteht Bewässerungsbedarf. Die damit einher gehende Verdunstungskühlung und Luftbefeuchtung verbessern das Mikroklima. Wäre ein großer Regenspeicher im Untergeschoss eingebaut, könnte dort der Überlauf der Dachbegrünung zur späteren Bewässerung zwischengespeichert werden. Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung des Objektes würde sich 100 Prozent nähern, die Wassergebühren dem entsprechend sinken. (c) ZinCo

Unsere Städte leiden mittlerweile abwechselnd unter Starkregen und Hitze, wo offene Wasserflächen und Begrünung weichen mussten. Der Klimawandel wird diesen Effekt noch verstärken. Nun geht es darum, durch Regenwassermanagement Lösungen zu entwickeln, die in den Cities Überflutungsgefahren mindern und zugleich Lebensqualität steigern.

TEXT: KLAUS W. KÖNIG

Das neue Ideal im Wassermanagement lautet: Der natürlichen standortbezogenen Wasserbilanz aus Niederschlag, Verdunstung, Versickerung und oberflächigem Abfluss so nahe zu kommen, dass eine unterirdische Ableitung in Rohren und Kanälen nicht erforderlich ist. Damit ließen sich im sprichwörtlichen Sinne „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“: Die urbanen Sturzfluten werden in vielen öffentlichen und privaten Rückhaltezonen gepuffert. Und eine hohe Verdunstungsrate kühlt die sommerlichen Temperaturen auf das Niveau des Umlands ab. In Anbetracht der Kapazität zur Wasseraufnahme und -abgabe ist der Schwamm das Vorbild.
Was ist

Gewässern zumutbar?

Historisch gesehen war Stadtplanung immer wasserorientiert. Alle Metropolen sind Beispiele dafür – sie liegen an Flüssen. Kriterien für die Wahl des Ortes zu Beginn unserer Zivilisation waren Trinkwasser, gewerblich nutzbares Wasser, Verkehrswege und Schutz beziehungsweise Verteidigung. In den vergangenen Jahrhunderten führten Wirtschaftlichkeit und Hygiene dazu, dass die Trinkwasserversorgung und die Entwässerung zunehmend zentral organisiert wurden. Dabei galt schnelle und vollständige Regenableitung aus Siedlungsgebieten als selbstverständlich. Allerdings verstärkte sie ungewollt Schwankungen von Hoch- und Niedrigwasser in Flüssen und den Eintrag unerwünschter Stoffe. Aus diesem Grund enthalten aktuelle technische Richtlinien beziehungsweise Wassergesetze sowohl Kriterien zur Behandlung/Reinigung des aufgefangenen Regenwassers, bevor es in Oberflächengewässer eingeleitet werden darf, als auch Begrenzungen des Volumenstroms pro Zeiteinheit – abgestimmt auf das, was das jeweilige Gewässer verträgt.

Die Begriffe Sponge City und Schwammstadt

International stark thematisiert wurde der englische Begriff Sponge City in internationalen Publikationen des Jahres 2017, speziell im Zusammenhang mit dem Bau von Megacities in China. Dort ist die staatlich gelenkte „Sponge-City-Initiative“ ein Instrument, um einerseits den komplexen Sachverhalt den in dieser Sache noch unerfahrenen kommunalen Verwaltungen zu vermitteln. Andererseits erhalten die öffentlichen Auftraggeber zweckgebunden finanzielle Unterstützung, sofern sie das gesteckte Ziel erreichen, bis 2020 auf 80 Prozent des Stadtgebietes mindestens 70 Prozent des auftreffenden Regenwassers „aufsaugen“ zu lassen oder zu nutzen. Es geht ausdrücklich um die kommunale Vorsorge gegen Überflutung, aber auch um das langfristige Sichern der Trinkwasserversorgung durch Senken des Trinkwasserbedarfs und Anreichern der Grundwasservorräte.
Gelernt hat man in China von eigenen urbanen Sturzfluten, die 2016 speziell in Wuhan, Nanjing, und Tianjin sowie 2012 in Beijing gewaltige Schäden verursacht hatten. Ähnliche Ereignisse in Mumbai/Indien und Houston/Texas zeigen, dass die Probleme weltweit bestehen, nicht auf einzelne Regionen oder nur auf Schwellenländer beschränkt sind.
Aus Deutschland war schon 2016 zu erfahren, dass in Absprache mit dem dortigen Umweltbundesamt die technischen Regeln der Siedlungswasserwirtschaft angepasst werden sollen. Vorausgegangen war eine 2015 veröffentlichte Studie des Berliner Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung, in welcher der Begriff Schwammstadt als Prinzip bezeichnet wurde, um für den öffentlichen Raum bestehender Städte nachhaltige Speicher- und Bewässerungssysteme zu entwickeln – als zentrale Zukunftsaufgabe für klimaangepasste Städte. Auch hier liegt der Fokus auf den Gefahren durch Überflutung und Hitze.

Die lokale Wasserbilanz als Vorbild

Der Entwicklungs-Prozess ist bereits in vollem Gange: Seit September 2016 liegt der deutschen Fach-Öffentlichkeit ein Entwurf des Arbeitsblattes DWA-A 102/BWK-A3 (Ableitung von Regenwasser in Oberflächengewässer) vor. Er wird ob seiner Radikalität in Fachkreisen heftig diskutiert. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass diese Norm (in ihrer Bedeutung einer DIN gleich) im Jahr 2019 Gültigkeit erlangt. Bis dahin soll auch das Arbeitsblatt DWA-A 138 (Versickerung von Regenwasser) angepasst sein. Nachdem beide Regelwerke verabschiedet sind, müssen Planer bei deutschen Bauvorhaben als Voraussetzung für die Baugenehmigung mit dezentralen Maßnahmen die lokale Wasserbilanz abbilden, die vor der Bebauung an diesem Ort vorherrschend war.
Möglich ist das auch in Österreich, wo nach Angabe des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus mehr als ein Drittel der Bevölkerung in größeren Städten und Siedlungsgebieten lebt. Grundlage für die örtliche Wasserbilanz ist hier wie in Deutschland ein flächendeckender Atlas mit hydrografischen Daten. Der Hydrologische Atlas Österreichs (HAÖ) hat eine sehr hohe räumliche Auflösung. Die derzeit aktuellen Zahlen repräsentieren den Zeitabschnitt 1981 bis 2010 und dokumentieren den Mittelwert dieser drei Jahrzehnte. Das ist jene Vergleichsperiode, auf die sich auch die aktuellen Klimadaten beziehen. Der durchschnittliche Jahresniederschlag Österreichs beträgt demnach circa 1.100 Millimeter, Abfluss und Versickerung etwa 600 Millimeter. Als Kenngröße für die jährliche Verdunstung ergeben sich daraus 500 Millimeter – im Landesmittel also bei 45 Prozent.
Anders ist das Verhältnis auf dem flachen Land. Die Verdunstung beträgt im Randgebiet der meisten Metropolen vor einer Bebauung meist 60-70 Prozent der Niederschlagsmenge, danach nur noch einen Bruchteil davon. Pilotprojekte in Berlin und Nürnberg führen den Nachweis, dass zwei Drittel des Niederschlags mit dem Stand der Technik zu verdunsten gelingen kann, und das unter wirtschaftlich zumutbaren Konditionen. Objektspezifische, maßgeschneiderte Kombinationen aus Verdunstung, Nutzung und Versickerung, machen es selbst in Citylage möglich, Niederschlagswasser nahezu 100-prozentig zu bewirtschaften.

Dezentrales Regenwassermanagement

Im Vorfeld möglicher Änderungen bei Regelwerken sowie Wasser- und Baugesetzen zugunsten deutlich höherer Verdunstungsraten, werden in der Regenwasserbranche vermehrt neue Bewirtschaftungskonzepte vorgestellt. Sie sollen bei künftigen Neubauvorhaben mit wenig technischem Aufwand erlauben, Dach- und Oberflächenabflüsse zu sammeln und an trockenen Tagen zur Verdunstung auf die Sammelflächen zurückzuleiten. Traditionelle Komponenten sind dabei etwa Verdunstung durch Gebäudebegrünung, Dach und Fassade; Verdunstung durch offene Wasserfläche, Teich und Wasserlauf; Versickerung durch wasserdurchlässig befestigte Verkehrsfläche, Pflasterfugen und -bettung; oder Nutzung/Retention durch Regenspeicher zur Substitution von Trinkwasser; die Retention in urbaner Freifläche mit multifunktionaler Nutzung und einiges mehr.
Urbane Sturzfluten und Hitze in Stadtzentren werden immer mehr zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung. Um Abhilfe zu schaffen muss Regenwasser künftig länger in der Stadt bleiben und gefahrlos durch die Methoden der Regenwasserbewirtschaftung mit den Aspekten Umweltschutz, Lebensqualität, Stadtklima und Überflutungsschutz verknüpft werden. Das funktioniert am besten dezentral, also auf den Grundstücken und Gebäudedächern – darin sind sich Politik und Wissenschaft einig. Sponge-City, die Stadt als Schwamm, ist ein Sinnbild dafür. Als neue Aufgabe beschäftigt das Thema mittlerweile Stadt- und Regionalplaner, europa- und weltweit.

Wasserkreisläufe spielen eine wichtige Rolle bei der Planung von Stadtquartieren. Speziell Regenwassermanagement hat zum Ziel, durch dezentrale Maßnahmen der Überflutung bei Starkregen vorzubeugen und das Lokalklima zu verbessern. Es geht darum, Lösungen zu entwickeln, die der natürlichen, standortbezogenen Wasserbilanz aus Niederschlag, Verdunstung, Versickerung und Abfluss nahekommen. Grafik: Gregor Grassl

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