HP14: Neue Regelung zu Ökotoxizität sorgt für Wirbel am Abfall- und Bausektor

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Was bedeutet HP14 für Abbruchvorhaben?

FCKW-geschäumte Dämmplatten sind als gefährliche Abfälle einzustufen. (c) Ragossnig

Aktuelle EU-rechtliche Änderungen zur Einstufung von Abfällen führen zu gravierenden Auswirkungen auf das Baugeschehen. Die Festlegungen zum Gefährlichkeitskriterium „ökotoxisch“ haben eine hohe Brisanz für die Bauwirtschaft. Fehlende Nachweise der Schadstoffentfrachtung können zur Notwendigkeit der Durchführung aufwendiger ökotoxikologischer Tests und gegebenenfalls zur Einstufung von Bauabfällen als gefährliche Abfälle führen.

TEXT: ARNE M. RAGOSSNIG

Schon mit der Recyclingbaustoffverordnung sind seit 2016 umfassende Verpflichtungen für Bauherren im Zusammenhang mit Abbruchvorhaben schlagend geworden. Für die rechtskonforme Abwicklung von Abbruchvorhaben ist die korrekte Zuordnung von Abfällen zu Abfallschlüsselnummern entsprechend den geltenden rechtlichen Vorschriften von besonderer Bedeutung. Diese ist die Grundvoraussetzung für die Sicherstellung des Vorhandenseins erforderlicher berufsrechtlicher Befugnisse für Abfallsammler und -behandler, an die die beim Abbruch anfallenden Abfälle übergeben werden sollen. Zudem schützt eine korrekte Schlüsselnummernzuordnung den Bauherrn vor möglichen Nachforderungen der durchführenden Abbruchunternehmen infolge erhöhter Entsorgungskosten.
Maßgeblich für die Abfallschlüsselnummernzuordnung ist in Österreich grundsätzlich die Abfallverzeichnisverordnung, die auch die Kriterien für das Zutreffen der Gefährlichkeit von Abfällen definiert. Im Rahmen einer EU-weiten Angleichung der Definition von Gefährlichkeitskriterien wurde vorerst im Juni 2015 durch die EU-Verordnung 1357/2014 die Gefährlichkeitskriterien für die Gefährlichkeitseigenschaften – Hazardous Properties (HP) – HP1 bis HP13 und HP15 teilweise geändert und im letzten Jahr mit der am 5. Juli 2018 umzusetzenden Verordnung (EU) 997/2017 auch für HP14 EU-weite Kriterien definiert. Diese sind prinzipiell ohne zusätzliche Umsetzungsmaßnahmen auf nationaler Ebene direkt anzuwenden und gehen gegebenenfalls anderslautendem österreichischen Recht vor.

Große Auswirkung auf Anlagengenehmigungen

Neben den Auswirkungen auf die Abfallartenzuordnung und den damit verbundenen Effekten auf die Entsorgungskette, wie erforderliche Berechtigungen für befugte Übernehmer und Kostenimplikationen, haben die EU-Festlegungen zu HP14 insbesondere auch eine große Auswirkung auf erforderliche Anlagengenehmigungen. Abfälle, die bisher als nicht gefährliche Abfälle gegolten haben und als solche an Abfallbehandler übergeben wurden, die Behandlungsanlagen für nicht gefährliche Abfälle betreiben, können zukünftig zu gefährlichen Abfällen werden. Als Konsequenz benötigen dieselben Abfallbehandlungsanlagen – sofern noch nicht gegeben – nun auch die genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen gefährliche Abfälle zu behandeln.
Aufgrund der Brisanz und möglichen Auswirkungen auf die rechtskonforme Abfallbewirtschaftung sowie des kurzen Umsetzungshorizonts wurde in den letzten Monaten seitens des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus sowie in den diversen Berufsvertretungen intensiv an Lösungen für eine praktikable Umsetzung der HP14 EU-Verordnung gearbeitet. So wird aktuell auch an einer Novellierung der Abfallverzeichnisverordnung gearbeitet, die die beiden oben genannten EU-Verordnungen berücksichtigen und entsprechende nationale Bestimmungen definieren soll, allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die erforderliche Novelle der Abfallverzeichnisverordnung zeitgerecht bis zum 5. Juli 2018 verabschiedet und veröffentlicht wird.
Aus diesem Grund wurde seitens des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus am 5.4.2018 der Entwurf eines Leitfadens für die Beurteilung der gefahrenrelevanten Eigenschaft HP14 „ökotoxisch“ an fachkundige Kreise zur Begutachtung verschickt, damit fristgereicht für die Umsetzung der EU-Verordnung 997/2017 eine Grundlage für deren Umsetzung vorliegt.

Die konkrete Umsetzung –HP14 Leitfaden

In der Verordnung (EU) 997/2017 basiert die Beurteilung der Ökotoxizität auf den Kriterien „ozonschädigend“ und „aquatoxisch“. Wenn die Konzentration von Stoffen, denen entsprechende Gefahrenhinweise basierend auf der Verordnung (EU) 1272/2008 (CLP-Verordnung) zuzuordnen sind (ozonschädigend: H420; aquatoxisch: H400, H410, H411, H412, H413), unter Berücksichtigung der Formelvorgaben in der Verordnung (Anmerkung: es sind unterschiedliche Multiplikationsfaktoren für die Konzentration von Stoffen mit unterschiedlichen Gefahrenhinweisen zur Anwendung zu bringen) überschritten wird, muss ein Abfall als gefährlicher Abfall eingestuft werden. Bei ozonschädigenden Stoffen gilt zusätzlich das Kriterium „ozonschädigend“ und damit „ökotoxisch“ bei einem FCKW-Gehalt über 2.000 Milligramm pro Kilogramm Trockensubstanz als erfüllt. Die Verordnung ist für jene Abfallarten relevant, wo es sogenannten Spiegeleinträge im Abfallverzeichnis gibt.
Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass bezugnehmend auf aktuelle Herangehensweisen in der Abfallanalytik wo Gesamtgehalte einzelner Parameter zum Beispiel Schwermetalle aber nicht deren Bindungsform gemessen werden, und insbesondere im Baustellenbetrieb, wo Baurestmassen gegebenenfalls ohne analytische Untersuchungen für die grundlegende Charakterisierung auf Deponien verbracht werden, die bisherigen Zugänge für eine Beurteilung des Zutreffens von Gefahrenhinweisen und damit für eine korrekte Abfalleinstufung nicht mehr ausreichen.
Dieser nun im Entwurf vorliegende HP14-Leitfaden beschreibt einerseits die Möglichkeiten des Nachweises des Vorliegens des Gefährlichkeitskriteriums „ökotoxisch“ – insbesondere die Vorgangsweise für das Kriterium „aquatoxisch“, andererseits werden Zuordnungskriterien für bestimmte Abfälle und Schwellenwerte für einzelne Elemente sowie auch die konkreten Abfallarten, für die Spiegeleinträge existieren, definiert. Für die Praxis im Baugeschehen sind insbesondere die Zuordnungskriterien und Schwellenwerte von hoher Bedeutung. Während die definierten Schwellenwerte für einzelne Elemente jeweils davon ausgehen, dass das Element in der Bindungsform mit der höchsten Aquatoxizität vorliegt (worst-case) und damit mit der Einhaltung der genannten Schwellenwerte auf Basis analytisch festgestellter Gesamtgehalte der Nachweis geführt werden kann, dass keine Aquatoxizität hinsichtlich des entsprechenden Elements vorliegt, gehen die Zuordnungskriterien von sogenannten Regelvermutungen aus und ermöglichen unter bestimmten Voraussetzungen eine Einstufung von Abfällen ohne aufwendige chemische Untersuchungen.

Die Auswirkung auf Abbruchvorhaben

Die Auswirkung des Kriteriums „ozonschädigend“ auf den Baustellenalltag und die Entsorgungsbranche wurde im Laufe des letzten Jahres im Bereich der als gefährlicher Abfall einzustufenden FCKW-geschäumten XPS-Platten offensichtlich. Die Auswirkung der Umsetzung der Regelungen zum Gefährlichkeitskriterium HP14 kann aktuell noch nicht abgeschätzt werden, nachfolgend werden aber anhand einzelner Beispiele hinsichtlich der Regelvermutungen des HP14 Leitfadens mögliche Auswirkungen dargestellt.
Im Bereich des Bau- und Abbruchholzes wurde im HP14 Leitfaden klargestellt, dass dieses, sofern es sich nicht um schadstoffhaltige Dämm- und Schallschutzplatten, Brandholz oder z.B. Bahnschwellen handelt, ohne weitere Untersuchungen davon ausgegangen werden kann, dass es sich um als nicht gefährlichem Abfall einzustufendes Bau- und Abbruchholz der Schlüsselnummer 17202 handelt.
Für Bauschutt (Schlüsselnummer 31409) und Betonabbruch (Schlüsselnummer 31427-17) wird andererseits klargestellt, dass diese Abfallarten und Schlüsselnummern ausschließlich für Abfälle verwendet werden dürfen, wo nachweislich eine Abtrennung gefährlicher Anteile z.B. im Rahmen eines verwertungsorientierten Rückbaus stattgefunden hat.
Beide angeführten Beispiele stellen klar, dass eine Abfallschlüsselnummernzuordnung zu einer nicht gefährlichen Abfallart auf Basis einer Regelvermutung nur bei Vorliegen entsprechender Nachweise / Dokumentationen zulässig ist. Für Abbruchvorhaben mit mehr als 750 Tonnen Abbruchabfällen sind die erforderlichen Nachweise – Schad- und Störstofferkundung, Rückbaukonzept, Freigabebestätigung – auf Basis der rechtlichen Verpflichtungen der Recycling-Baustoffverordnung vorhanden. Wie hier in Zukunft bei kleineren Abbruchvorhaben, wo diese rechtlichen Verpflichtungen bisher nicht bestehen, der Nachweis zu führen sein wird, ist noch offen.
Um auf die Ausgangsfrage – der Bedeutung von HP14-Regelungen für Abbruchvorhaben zurückzukommen – ist jedenfalls festzuhalten, dass die rechtlichen Neuerungen in Bezug auf das Gefährlichkeitskriterium „ökotoxisch“ eine große Bedeutung und vor allem eine hohe Brisanz für die Bauwirtschaft haben. Fehlende Nachweise der Schadstoffentfrachtung können zur Notwendigkeit der Durchführung aufwendiger ökotoxikologischer Tests und gegebenenfalls zur Einstufung von Bauabfällen als gefährliche Abfälle führen.

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